Island 2000 Kilometer durch Feuer und Eis
Aktive
Vulkane, gewaltige Gletscher, spektakuläre Wasserfälle und
pechschwarze Strände – Islands Landschaft ist einzigartig. Wer möglichst viel entdecken möchte, umrundet die Insel mit dem Auto oder dem Wohnwagen. Dabei sollte man eines nicht
scheuen: das Alleinsein vor gewaltiger Naturkulisse.
von Alexander Salenko
Die Reise beginnt
Schon kurz nachdem man die Hauptstadt Reykjavik verlassen hat, spürt man die Einsamkeit. Es ist Ende April, die Hauptsaison beginnt erst in einem Monat. Die Straßen sind größtenteils leer. Es ist kalt und nass.
Golden Circle
Um
diese Jahreszeit sind Touristenmassen nur an den Hotspots des Golden Circle zu finden. Wer nur einen Tag hat, um die berühmtesten
Postkartenmotive Islands zu entdecken, ist hier eben genau richtig.
Die
„goldene“ Rundreise beginnt in der Hauptstadt Reykjavik. Sie führt
über den Nationalpark Þingvellir, den Vulkankrater Kerið und den
Wasserfall Gullfoss bis in das Geothermalgebiet Haukadalur. In diesem
Heißwassertal steht der Geysir Strokkur. Alle zehn Minuten schießt er eine Wasserfontäne bis zu 35 Meter in die Höhe – es ist quasi unmöglich, das Spektakel zu verpassen.
Baden im Rauchtal
Island ist berühmt für seine heißen Quellen. An den meisten Stellen allerdings ist das Wasser, das an die Erdoberfläche tritt, tatsächlich zu heiß, um darin zu baden – teilweise bis zu 100 Grad Celsius. Im Tal Reykjadalur mischt sich das heiße
Quellwasser mit eiskaltem Gletscherwasser und sorgt im
Bach Reykjadalsá für angenehme Badetemperaturen.
Wenn man aus der
Kälte in den Bach steigt, kribbelt es auf der Haut. Besonders
eindrucksvoll sind die gelegentlichen Hagelschauer – eine natürliche Rückenmassage. Die Badestelle befindet sich in der Nähe des
kleinen Ortes Hveragerði und ist nur zu Fuß erreichbar.
Links Amerika, rechts Europa
Geysire,
Vulkane, heiße Quellen und Erdbeben haben in Island alle einen
Ursprung: Mitten durch das Land verläuft der Bruch zwischen der
eurasischen und der amerikanischen Kontinentalplatte. Links ist Amerika, rechts Europa – jährlich driften die Kontinente ein bis zwei Zentimeter auseinander.
Der
Nationalpark Þingvellir ist einer der wenigen Orte, an denen man den
Grabenbruch tatsächlich sehen kann. Der größte Teil des Grabens verläuft am
Meeresgrund.
Campen am Fuße des Wasserfalls
Wer nach acht Stunden auf dem Golden Circle das Gefühl hat, das beste von Island gesehen zu haben, liegt falsch. Nur 150 Kilometer östlich der Hauptstadt befindet sich direkt am Fuße des Wasserfalls Skógafoss ein
Campingplatz. Angekommen in den Abendstunden, realisiert man erst am
nächsten Morgen, vor welch beeindruckender Kulisse man soeben übernachtet hat.
Mit der Zahnbürste im Mund beobachtet man, wie pro Sekunde 170.000 Liter Wasser 60 Meter weit in die Tiefe stürzen. Wer dem gewaltigen Wasserfall näherkommt, spart sich die Dusche: Der feine Wasserstaub erfasst einen
schon in mehr als zehn Meter Entfernung.
2000 Kilometer in 10 Tagen
Erst
im Jahre 1974 wurde die Nationalstraße 1 fertiggestellt. Dank dieser
Ringstraße ist es überhaupt erst möglich geworden, Island mit
einem Auto zu umrunden. Die meist zweispurige Straße ist bis auf
wenige Ausnahmen asphaltiert.
Die
Ringstraße
ist das ganze Jahr über befahrbar. Das macht sie besonders außerhalb der Saison
(Mai bis September) attraktiv, wenn die Straßen im Inneren des
Landes gesperrt sind. Die Ringstraße verbindet die wichtigsten
Städte des Landes miteinander und führt den Reisenden von einem Highlight zum
nächsten. Dafür muss man nur ab und an den Asphalt verlassen und in
unscheinbare Schotterstraßen einbiegen.
Geheimtipps von der Tanke
Der
beste Reiseführer ist oft der Tankstellenwart. Er kennt neben Straßenverhältnissen und Wettervorhersage auch die Naturphänomene in der Umgebung. Hätte er nicht darauf hingewiesen, man wäre vermutlich an dem grünen Canyon Fjaðrárgljúfur acht Kilometer südlich der Ringstraße vorbeigefahren.
Die Schlucht, die das Gletscherwasser im Laufe der Jahrtausende geformt hat, ist bis zu 100 Meter tief und etwa zwei Kilometer lang. Die dürftige Absperrung sollte nicht ignoriert werden: Denn bis an den Rand der Schlucht zu gehen, ist möglich – aber lebensgefährlich. Der weiche Boden kann leicht nachgeben.
Gewaltige Eismassen
Island
besteht aus Feuer und Eis, aus Vulkanen und Gletschern. Im
Süden des Landes befindet sich der größte Gletscher Europas
südlich des Polarkreises – der Plateaugletscher Vatnajökull. Mit 8100 Quadratkilometern ist er etwa halb so groß wie Schleswig-Holstein.
An einigen Stellen ist das Eis 900 Meter dick. Unter ihm liegen die
aktivsten Vulkane der Insel. Mehr als 30 Gletscherzungen führen vom
Vatnajökull herunter ins Tal – eine davon ist der zehn Kilometer
lange Skaftafellsjökull.
Vom Skaftafell Visitor Centre im
Nationalpark Vatnajökul führen zahlreiche Pfade ins Gebirge. Von
hier aus sieht man den Gletscher in voller Pracht.
Durch Eis und Schnee
Ab 650 Metern über dem Meeresspiegel ist der Nationalpark Vatnajökul Ende April komplett verschneit – obwohl die Temperaturen tagsüber auf über zehn Grad Celsius steigen. Der Wanderpfad verliert
sich unter der Schneedecke; nur hier und dort sind die Wegmarkierungen zu sehen. Orientieren kann man sich nur auf den Fußspuren vorangegangener Wanderer. Auch wenn die Füße schnell nass sind: Der Weg ist es Wert!
Dabei haben sollte man eine gute Karte und
ein GPS-Gerät. Das Visitor
Center über seine Pläne zu informieren ist Pflicht. Bei gutem Wetter kann eine
Wanderung über die Schneefelder eine schöne Alternative zu den
geführten Gletschertouren sein, die mit 150 Euro pro Person recht
teuer sind.
Intensives Blau
Regenwolken sorgen vom Atlantik kommend im Süden des Landes und auf dem Gletscher
Vatnajökul für viel Niederschlag. Der milchige Himmel lässt nur
wenige Sonnenstrahlen durch – und doch beeindruckt das Eis auf dem See
Jökulsárlón durch ein intensives Blau.
Jökulsárlón ist die Heimat unzähliger Robben – und der
größte Gletschersee Islands. Wie
viele andere Naturschönheiten hier, war auch er lange Zeit in Privatbesitz.
Erst in diesem Jahr kaufte der isländische Staat den Gletschersee
sowie das umliegende Land und will das Areal nun zum Nationalpark erklären.
Zelten bedeutet Freiheit
Es
ergibt wenig Sinn, seine Islandreise vorab minutiös zu
planen. Auf dem Weg entdeckt man oft Orte, an denen man spontan länger
bleiben möchte. Einheimische geben gern Tipps. Einige Sehenswürdigkeiten sind außerhalb der Saison gar nicht erreichbar, da die Zufahrtsstraßen witterungsbedingt gesperrt sind.
Ein Zelt erlaubt es, spontan statt an Hotel-Reservierungen gebunden zu sein. Im Land gibt es mehr als 200
Campingplätze, von denen die meisten an der Ringstraße, einige auch im unbewohnten Hochland liegen. Wildcampen ist nur
mit Sondergenehmigung außerhalb von Ortschaften erlaubt. In
jedem Fall sollte das Zelt dem heftigen isländischen Wind
standhalten.
Knapp unter dem Polarkreis
Der Norden Islands liegt nur knapp unter dem Polarkreis. So scheint im Sommer hier sogar um Mitternacht die Sonne. Die unwirklichen Landschaften sind geprägt vom Vulkanismus – überall brodelt es, mächtige Krater türmen sich auf, Dampfsäulen schießen aus dem Boden und es riecht nach Schwefel.
Vulkansystem Krafla
Der
Mittelatlantische Rücken durchzieht ganz Island – im Norden in Form des 90 Kilometer langen Vulkansystems Krafla. In drei bis sieben Kilometern Tiefe befinden sich hier zwei
Magmakammern. Alle paar Jahrhunderte tritt das mehr als tausend Grad
heiße Magma an die Erdoberfläche – zuletzt 1984.
Der höchste Punkt
das Gebiets ist der gleichnamige Berg Krafla. Von ihm aus eröffnet
sich ein atemberaubender Ausblick auf das Vulkangebiet und den daneben liegenden Kratersee Víti – das isländische Wort für Hölle.
Willkommen auf dem Mars
Das
bizarre Hochtemperaturgebiet Hverir in der Nähe des Sees Mývatn macht sich
schon von weitem durch den stechenden Schwefelgeruch bemerkbar. Im Untergrund steigt die Wassertemperatur hier aufgrund
des hohen Drucks auf bis zu 200 Grad Celsius.
Die
Isländer nutzen das kochend heiße Wasser aus dem Erdinneren, um
in Geothermiekraftwerken Strom zu gewinnen. Ähnlich wie in der berühmten Blauen Lagune bei Reykjavik wird das abgekühlte Wasser auch hier zum
Baden genutzt. Die Bäder von Mývatn sind jedoch weniger stark von
Touristen überflutet – und nicht nur günstiger, sondern auch heißer.
Es brodelt
Besonders spektakulär: die kochenden Schlammlöcher. In ihnen reagieren schwefelwasserstoffhaltige Gase mit Wasser und bilden Schwefelsäure. Sie zersetzt das Gestein zu einem blaugrauen Schlamm, der sich wie eine Glasur über den Boden legt.
Unterirdischer See
Nur
wenige Kilometer entfernt vom Zentralvulkan Krafla liegt Grjótagjá
– eine heiße Quelle der besonderen Art. Der kleine unterirdische
See liegt in einer Höhle und war bis in die 80er-Jahre ein
beliebter Ort zum Baden.
Bei den letzten Ausbrüchen des Vulkans
Krafla kamen Magmaströme näher heran an die Höhle und ließen die
Wassertemperatur in ihr auf bis zu 46 Grad Celsius ansteigen – eindeutig zu
heiß zum Baden. Doch trotz des Badeverbots wagen sich einige Besucher für
wenige Augenblicke ins Wasser.
Strandtag am Nordpolarmeer
An
einem sonnigen Tag lädt das Nordpolarmeer an Islands Nordküste zum Baden ein. Strände gibt es nur wenige und wenn man welche
findet, sind sie menschenleer. Der Sand besteht aus schwarzen
Lavasteinchen und Vulkanasche und ist grau. Überall finden sich Muscheln, manchmal auch Knochen großer Meeressäuger. Die
Sonne wärmt den dunklen Sand.
Auch die Temperatur an
der Wasseroberfläche scheint höher zu sein als zur gleichen
Jahreszeit in der Ostsee. Steht man aber knietief im Wasser,
wird es unangenehm: Die Zehen erstarren förmlich vor Kälte. Vor der
grandiosen Kulisse lohnt sich eine kurze Schwimmeinheit dennoch allemal. Wann schwimmt man schon mal im
Nordpolarmeer?
Sonne tanken
In
Island leben rund 340.000 Menschen – weniger als in
Wuppertal. Mehr als die Hälfte davon lebt in der Metropolregion
Reykjavik. Andere Großstädte gibt es eigentlich nicht, die
zweitgrößte Stadt Akureyri im Norden des Landes zählt knapp 18.000
Einwohner.
Den Charme des Landes machen die vielen kleinen Städtchen
aus. Bei gutem Wetter sind die Straßen voller Leben: Kinder spielen
Fußball, Touristen schlendern durch die Geschäfte und die
Einheimischen setzen sich einfach in die Sonne, um ein Eis zu essen,
wie hier in der Fischersiedlung Sauðárkrókur.
Die kleine Großstadt
In
Reykjavik, der „Rauchbucht“, ist es vorbei mit der Einsamkeit.
Hier wird die Ringstraße sechspurig – einmalig für Island. Hin und wieder soll es sogar einen Stau geben. Die
Skyline der Hauptstadt besteht aus bunten Hausdächern, dem Hügel Öskjuhlíð und der Hallgrímskirkja. Die ungewöhnliche
Architektur der Beton-Kirche soll Basaltpfeilern ähneln, die
vielfach in der isländischen Landschaft zu finden sind.
Trotz der
vielen Touristen und der amerikanischen Geländewagen läuft auch
hier das Leben eher gemütlich ab. Wer das spannende Nachleben einer
Großstadt sucht, wird hier allerdings enttäuscht sein.
Zum Schluss noch einen Kaffee
Zehn
Tage auf der Ringstraße lassen einen staunend, ja beinahe ungläubig zurück. Die schroffe Natur ist so anders als alles bisher gesehene. Das Zusammenspiel von Feuer, Wasser
und Eis übt eine ungeheure Faszination aus.
Reykjavik ist ein guter
Ort, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten, wieder das Handy
aufzuladen und einen guten Kaffee zu trinken – zum Beispiel im
gemütlichen Café Balabu direkt gegenüber der Hallgrimskirkja. Die Einrichtung erinnert an
eine Wohnstube. Unbedingt probieren: den Käsekuchen!