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Abtauchen mit Manatees: Eine Tonne Frieden

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Wenn es im Golf von Mexiko kalt wird, schwimmen hunderte Seekühe in die Küstenkanäle von Crystal River – dem einzigen Ort, wo man legal mit ihnen tauchen darf. reisereporterin Alexa taucht mit und fragt sich: Wollen diese Tiere etwa kuscheln?

von Alexa v. Busse

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Auf Manatees trifft dieser Spruch tatsächlich zu. Und deshalb passiert vor Floridas Westküste jeden Winter etwas ganz Besonderes: Um sich vor der Kälte des abkühlenden Ozeans zu schützen, wandern die Seekühe landeinwärts – direkt in die Städte und Dörfer von Citrus County in Florida.

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Der Grund dafür: Frischwasserquellen. Ein Fünftel von Citrus County besteht nämlich aus Wasser, zwischen Häusern und Vorgärten schlängeln sich Kanäle und Flüsse hindurch. Hier und da sprudelt das ganze Jahr über 22 Grad warmes Süßwasser nach oben – ein wahres Paradies für Manatees.

Die bekanntesten Quellen hier sind die Three Sisters Springs: Sie pumpen rund um die Uhr frisches Wasser in den glasklaren, natürlichen Pool mitten in der Stadt.

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Auf den Internetseiten der Werbetreibenden sieht es so aus, als könnte man Seite an Seite mit den „Gentle Giants“, den freundlichen Riesen, genau dort hinein schwimmen. Fast richtig. Denn: Seit drei Jahren ist der Pool immer dann geschlossen, wenn es draußen im Golf unter 18 Grad kalt wird und die Manatees in Hundertschaften in die Quellen strömen.

Dann gehört dieser unwirklich schöne Ort ihnen ganz allein. Aber drumherum ist genug Platz, um ihnen trotzdem ganz nah zu begegnen.

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Vor den Toren der Quellen, seitlich des Eingangs, sind zwei Rechtecke abgesperrt – und an ihren Grenzen herrscht reger Verkehr. Alle paar Minuten schwebt eine Tonne Lebendgewicht so friedvoll vorbei, dass man sie kaum bemerkt. Mütter legen sich zum Stillen auf den Sandboden, knabbern am Seegras, lassen ihre Kälber unter ihren Flossen saugen. Manche von ihnen nehmen keine Notiz von den schnorchelnden Besuchern, manche fangen an, sie zu stupsen und zu beschnüffeln – neugierig, aber sehr vorsichtig.

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Dass Three Sisters Springs in der winterlichen Hauptsaison meist geschlossen bleibt, tut dem Erlebnis also keinen Abbruch – und erscheint vor dem Hintergrund, dass täglich dutzende Boote zu den Hotspots in der Kings Bay fahren, durchaus auch sehr sinnvoll.

Auf Poolnudeln werden etwa ein Dutzend Urlauber pro Boot zu Wasser gelassen, weil es vielen schwer fällt, ruhig zu schwimmen. Um ihnen das letzte bisschen Anstrengung zu nehmen, zeigen die Captains vom Boot aus, wo gleich ein Manatee den Weg kreuzen wird.

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Ist das ein nachhaltiger Weg, mit dem Manatee-Tourismus umzugehen? Der Erfolg gibt Crystal River Recht: Seit 2017 stehen Manatees nicht mehr auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten.

Und das war ein langer Weg: Schon in den 70ern wurden Gesetze zum Schutz der Tiere erlassen, seit 1983 ist Crystal River offiziell der einzige Manatee-Nationalpark. Und dafür danken viele hier vor allem einem Mann: Dr. Robert „Bob“ Bonde.

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Dr. Robert „Bob“ Bonde wird in Crystal River nur „der Guru“ genannt. Der Biologe erforscht den Florida-Manatee seit Jahrzehnten und tritt in diesem Jahr aus dem Dienst für die geologische Bundesanstalt USGS aus. Doch an diesem sonnigen, kalten Februarmorgen in der Kings Bay ist von Rente nichts zu spüren.

Bob Bonde ist auf die Ladefläche eines Pick-ups geklettert – Studenten der University of Florida, Kollegen vom USGS, Tierärzte und viele Freiwillige hängen an seinen Lippen.

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Manateeforschung

Seit 2006 finden die sogenannten „Manatee Health Assessments“ statt. Über 150 zumeist Freiwillige hieven Manatees aus dem Wasser, tragen sie in Zelte und untersuchen Herzfrequenz, Wunden, Blut und Urin der Rundschwanzseekühe.

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Tatsächlich sind es nicht Krokodile oder andere Mitbewohner, von denen die größte Gefahr für Manatees ausgeht – es sind die Propeller der Bootsmotoren. Viele Tiere tragen Narben, haben aufgeritzte Rücken und zerschlissene Schwanzflossen.

Bob Bonde ist zwar der Meinung, dass Manatees sehr wohl in der Lage seien, schnell auszuweichen. Doch bei bis zu 70 Lebensjahren muss nur einmal etwas schiefgehen – und das Tier ist tot oder gezeichnet für den Rest seines Lebens.

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Wer sich über den ganzen Manatee-Zirkus nur wundern kann, ist Timothy Baxter – genannt Captain Tim. Was den vielen jungen Wissenschaftlern in Crystal River eine ganze Welt bedeutet, bedeutet ihm rein gar nichts. Seine Leidenschaft gilt den Delfinen – eigentlich allem, was schnell ist.

Und er fragt: „Wenn man Manatees doch schützen will, warum fährt man mit Propellern und nicht mit Airboats?“ Überhaupt sei es das viel coolere Fahrzeug und man könne damit noch viel mehr sehen als nur Manatees. Womit er nicht ganz unrecht hat.

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Nicht jedes Detail von Captain Tims Ansichten würde wissenschaftlich bestätigt werden. Und ob ein sehr lautes und schnelles Gefährt wie das Airboat tatsächlich besser für die Kings Bay wäre – streitbar.

Streit herrscht generell zwischen den Touranbietern, wie mit Manatees richtig umzugehen ist... schließlich geht es auch ums Geschäft. Umso erstaunlicher, dass es am Ende eine deutsche Freiwillige im Tierpark von Homosassa ist, die es auf den Punkt bringt.

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Renate spricht einen sehr wichtigen Punkt an: Offiziell ist es verboten, Manatees zu berühren, über ihnen zu schwimmen oder sie zu verfolgen. Darüber klären Videos mit Verhaltensregeln alle Touristen auf, die im oder auf dem Wasser unterwegs sind.

Für Captain Sean Daugherty wäre das nicht nötig – wenn alle das richtige Maß beachten würden.

Er ist mit Manatees aufgewachsen, ein paar Kilometer südlich von Crystal River in Homosassa. Sean erkennt einige seiner Freunde im Wasser wieder, hat ihnen sogar Namen gegeben. Diese familiäre Bindung bringt er seinen Gästen nahe – mit einem einfachen Trick.


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Auch Sean will, dass es seinen Manatees gut geht. Deshalb erklärt er seinen Gästen regelmäßig: „Legt euch einfach hin und tut nichts.“ Allerdings mit dem Zusatz: „Ihr merkt, wenn einer was von euch will...“

Um dem Lärm zusätzlich zu entkommen, fährt Sean antizyklisch raus. Heißt: früh aufstehen. Aber das lohnt sich schon allein für den Sonnenaufgang. Und morgens um 7 Uhr, wenn die Tiere am aktivsten wirken, sind Seans Gäste quasi alleine im Wasser.


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Um ehrlich zu sein: Mit Manatees allein zu sein, in klarem Wasser unterm Sonnenaufgang, ist ein unvergesslicher Moment. Und dazu muss man sie nicht anfassen oder anstupsen. Denn das tun sie von ganz allein. Wer sich dagegen wehrt, läuft eher Gefahr sie zu erschrecken, als wenn er ganz ruhig liegen bleibt und den kurzen Moment des absoluten Friedens einfach genießt.

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