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Bologna: Die einzig wahre Bolognese heißt Ragù!

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Die älteste Universität Europas. Großzügige Plätze und prächtige Paläste. Arkaden, die die ganze Stadt durchziehen. Dolce Vita bis zur Morgendämmerung. Und Geburtsort der berühmtesten Pasta-Soße der Welt. Aber gibt es hier wirklich die perfekte Bolognese? Ein Geschmackstest.

von Sonja Fröhlich und Dario Teschner

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Hier könnte es sein. Einmal schnurgeradeaus über den berühmten Piazza Maggiore, dann weiter zum Palazzo Re Enzo, also dem Palast von König Heinz (Enzo entspricht dem deutschen Vornamen Heinz), liegt das kleine Restaurant Al Voltone direkt unter einem Torbogen. Seit 1888 wird hier in majestätischer Umgebung gekocht. Klar, hier muss es sie geben – die perfekten Bolognese.

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Die Speisekarte versammelt schon mal alle Spezialitäten des emilianischen Umlands, mit denen Bella Italia identifiziert wird.

Parma, Parmesan, Mortadella, Tortellini, Risotto, wie sie alle heißen. Nur Spaghetti Bolognese suche ich vergeblich. „Allora“, sagt der Kellner und lächelt die Miracoli verdorbene Touristin nachsichtig an. „Gli spaghetti bolognese non esistono“ („Spaghetti Bolognese gibt es nicht“). Dann hält er ein flammendes Plädoyer, warum das so ist.

Zusammengefasst:
1. Spaghetti Bolognese gibt es in Bologna nie und nirgendwo. Hier heißt das weltberühmte Gericht Ragù alla Bolognese.

2. Das Ragù wird niemals mit reinen Hartweizennudeln zubereitet (die sind in Bologna sowieso verpönt) sondern immer nur mit den frischen Eiernudeln Tagliatelle. Spaghetti sind dagegen völlig ungeeignet, weil das Ragù sich damit verbinden, quasi festkleben, muss.

3. Erfunden in Zeiten der Renaissance, basiert das Ragù auf einem Originalrezept, das in der Handelskammer von Bologna ausgestellt ist. Und das kommt ganz ohne Ketchup, Basilikum und, jawoll, ohne Knoblauch aus! Das ist Sache der Süditaliener.

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Angeblich hatten sich amerikanische und englische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg in der Emilia Romagna unterwegs waren, in das Ragù verliebt. Zuhause nachgefragt, servierte man ihnen das Gericht allerdings mit Spaghetti und mischte Allerlei hinein. Auf diese Weise soll sich das nicht-existente Gericht in den USA und nördlich von Italien ausgebreitet haben. Heute gilt es als das am meisten missbrauchte Rezept – zumindest unter Italienern. In Bologna und Umgebung verachtet man die Banausen-Bolognese, von Deutschen liebevoll „Bolo“ genannt. Der Kellner lächelt ein Basta und bringt eine Portion des Originals. Und ja, einfach köstlich: Dieses Gericht schmeckt so ganz anders als die vermeintliche Bolognese, die man hierzulande gar in Packungen mit Pulvermischungen oder Gläsern kaufen kann. Schön sämig, fleischlastig, intensiver Geschmack. „Fantastico“, sage ich kauend.

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Nächste Station: Die Kochschule Bologna Cucina in der Via del Pratello, wo sich Pastalehrlinge aus aller Welt darin üben, wie Italiener zu kochen. Wie das perfekte Ragù zubereitet wird? Küchenchef Davide Berchiatti kennt – wie wohl die meisten italienischen Köche – nur eine Antwort: „So, wie es die Mamma macht!“ Regel Nummer Eins: frische, hochwertige Zutaten. Wir schlendern nicht etwa durch die Markt- und Fressgassen der Quadrilatero-Zone im Zentrum, wo Schinken & Co. wie vom Schlaraffenhimmel über den Köpfen baumeln. „Die Marktstände in der Stadt sind für Touristen und Schickimicki-Einkäufe gut – aber für uns viel zu teuer“, erklärt der Lehrmeister und betritt eine schnörkellose, grell erleuchtete Einkaufshalle am Stadtrand, den Mercato delle Erbe (Deutsch: von Kräutern). Wir kaufen Fleisch, das erst an der Theke frisch durch den Wolf gedreht wird, buntes Gemüse, kraftvollen Parmigiano und Tomatensoße - aber keine Tomaten.

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Nicht so einfach, das Restaurant Oltre in der Via Augusto Majana zu finden. Die Fenster sind dunkel, die Tür ist mit Aufklebern zugekleistert, irgendwo dazwischen ein Name, eine Klingel, auf die man drücken muss, wenn man rein will.

Ein durchtrainierter Zweimetermann mit Hipster-Bart öffnet. Im Innern: Perfekt durchdesigntes Interieur, wenig Licht, viel kalte Luft. Die Menüs kommen in einer Luftpolsterversandtasche, die Brote in Tüten, die Kellner reserviert an den Tisch. Nur bei den Bologna-Spezialitäten scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Tortellini mit Parmesancreme, Tortelloni mit Ricotta-Käse, und das Ragù als Ragù.

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Ich probiere alles drei und befinde: Toll, toll, toll! Aber gibt es keine modernen Interpretationen? Inhaber und Küchenchef Daniele Bendanti hat zuvor viele Jahre in unterschiedlichen traditionellen Osterias der Stadt gearbeitet, bevor er das innovative Otre eröffnete. Und sagt: „Warum sollten wir das Ragù neu interpretieren? Es ist perfekt, so wie es ist.“ Das ist auf den Punkt gebracht wie die Pasta auf meinem Teller. Aber ich muss nun schleunigst aus Bologna verschwinden – allein der Figur zuliebe...

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Da stehe ich in dem kleinen Laden Sfogline (sfoglia: Blätterteig) an der Via Belvedere und schon vom Hinschauen schwirrt mir der Kopf: Monica und Daniela Venturi produzieren Tortellini im Akkord. Blitzschnell schneiden, füllen, biegen, drücken die Schwestern den Teig zu perfekten Pastahappen. Perfekt ist, wenn sie wie kleine Umarmungen mit Spitzmütze aussehen. „Sie müssen exakt zwei Gramm wiegen“, sagt Monica.

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Das Tortellini Geheimnis

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Verschiedene Pasta-Sorten (Foto: Sonja Fröhlich)
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Die Inhaber-Familie betreibt das Geschäft seit 70 Jahren, die Nudelhölzer im Laden erinnern an eine Sammlung nostalgischer Baseballschläger, die gleichzeitig Einbrecher abschrecken. Was die Schwestern schon als Kinder gelernt haben, ist in den Familien längst nicht mehr normal. Aus Zeitgründen kaufen sie die Nudeln lieber als sie selber herzustellen.

Kunden stehen an der Ladentheke Schlange, es ist ein Bestellen und Abholen der Tüten und Kartons. Das Wochenende steht bevor und dafür braucht Bologna Eiernudeln. Die mit Schweinefleisch gefüllten Tortellini, die mit regionalem Ricotta-Käse gefüllten Tortelloni, ofenfertige Lasagne, das eigenwillige Pasta-Format Gramigna und natürlich die klassische Tagliatelle – auch Engelshaar genannt. „Wir machen hier alles – nur keine Spaghetti“, sagt Monica ausdrücklich.

In nur 20 Minuten haben die Schwestern jeweils ein Kilo Tortellini hergestellt – macht 60 Kilogramm am Tag. Mein eigener Versuch dauert länger als eine Minute für einen klopsartigen Happen. Monica lächelt gnädig: „Das Geheimnis liegt in den Fingern – sie dürfen den Teig nur leicht berühren.“



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Verschiedene Pasta-Sorten (Foto: Sonja Fröhlich)
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Das Originalrezept wurde am 17. Oktober 1982 von der Accademia Italiana della Cucina bei der Handelskammer von Bologna hinterlegt.

Zutaten
300 g grob gehacktes Rindfleisch
150 g Pancetta (Bauchspeck vom Schwein)
50 g Karotte
50 g Stangensellerie
50 g Zwiebel
300 g geschälte Tomaten
1/2 Glas trockenen Weißwein
1/2 Glas Vollmilch
etwas Gemüsebrühe
Olivenöl oder Butter
Salz
Pfeffer
(optional ein Schuss Sahne)

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Kaum ein Koch aber hält sich drakonisch an das Originalrezept. Davide verwendet Rot- statt Weißwein, weil ihm die Soße dann intensiver schmeckt, außerdem verzichtet er auf den Bauchspeck. Traditionelle Köche schwören auf die Beigabe von frischer Hühnerleber, auch wenn diese schon vom Originalrezept entfernt wurde. Das Geheimnis der perfekten Soße ist Geduld, sagt Davide zurück in der Schulküche. „Wenn das Ragù gut werden soll, muss es mindestens drei Stunden köcheln.“

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Kapitel 1 Bologna: Die einzig wahre Bolognese heißt Ragù!

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Kapitel 2 Bolognas bester Handmade-Pasta-Shop.

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