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Mit dem Boot durch Asien: Zurück in die alte Welt

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Sechs Tage und fünf Nächte Durchatmen für Körper, Geist und Seele. Sechs Tage und fünf Nächte unterwegs mit der „META IV“ im Mergui-Archipel im Süden Myanmars. Wann haben wir verlernt, uns nach dem Paradies zu sehnen?


von Bernd Linnhoff


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Wohlgeformter Körper, robuste Hülle. So liegt sie da, in der Mündung des Pakchan-Flusses, der Myanmar und Thailand verbindet und trennt: die „META IV“. Eine Ketsch, ein Motorsegler mit zwei Masten also. Gefertigt 1998, aus thailändischem Teakholz. Mit 25 Metern länger als die „Santa Maria“ von Christopher Kolumbus. Wir aber wollen nicht Amerika entdecken, sondern den Mergui Archipel.

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Der Mergui-Archipel besteht aus etwa 800 Inseln und liegt in der Andamanensee südwestlich von Myanmar. Die Einheimischen nennen ihre Region Myeik Kyunzu, Myeik-Archipel.

Wir übersetzen das heute häufig mit „Inselgruppe“. Doch das Besondere an einem Archipel ist, dass zum Staatsgebiet der Region auch die Gewässer zwischen den Inseln gehören. 


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Und über diese Gewässer im Indischen Ozean wollen wir gleiten. Ohne Netz oder Internet. Kein Telefon, keine Bundesliga, kein Trump, kein Alltag. Digitale Entgiftung. Abgeschnitten von der neuen Welt. Entfernung ist wieder mehr als nur ein Wort.

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Wir sind Anfang Mai unterwegs. Es ist die letzte Tour vor der fünfmonatigen Regenzeit. Die gesamte Fahrt über ist unser Schiff tatsächlich das einzige mit Touristen an Bord – ein seltsames Gefühl. Und so kostbar wie kostspielig. Denn Myanmar hat bisher nur wenige Lizenzen für Touristenfahrten vergeben. Eine davon an „Burma Boating“, ein Unternehmen mit mehrheitlich deutschen Eignern.

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Die „Meta IV“ nimmt uns schnell auf, wiegt uns an Deck. Bald ist klar: Hier haben wir viel Zeit. Unendlich viel Zeit. Aber: Nicht unendlich viel Raum... Ja, so ist das nun mal an Bord eines Schiffes. Auch an dem eines Luxusseglers.

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Gerade einmal fünf Kabinen gibt es (eine sogar für drei Personen) mit jeweils eigenem Bad. Oder dem, was man unter einer klassischen Nasszelle versteht. Sagen wir es so: Mit einer gewissen Enge muss man sich arrangieren. Und auch mit den Mitreisenden. Denn wenn Fremde zu Nachbarn auf Zeit werden, ist Toleranz gefragt. Und Rücksicht.

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Ich habe das Glück, freundliche Zeitgenossen zu treffen, routinierte Vielreisende. Und eine ebenso routinierte Crew. Die – das weiß jeder Segler – steht und fällt mit dem Kapitän.

Unser heißt Suchet, wuchs im bergigen Norden Thailands mit neun Brüdern und vier Schwestern auf. Weiter weg konnte das Meer, von dem er schon als Kind träumte, nicht sein. Doch heute spielt er seine Bambusflöte über das Blau, angelt, steuert. Und springt selbst auch mal rein.

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Für das Programm aber ist ein Anderer zuständig: Aung Kyaw Kyaw. Dass er sich A.K. nennt, hilft uns sehr. Der einzige Burmese in der ansonsten thailändischen Crew hat viele Hüte auf: Guide, Geschichten-Erzähler, Organisator. Er wird uns Mangroven zeigen, mit uns schnorcheln, Kajak fahren und uns zum Strand unberührter Inseln bringen. „Wie die Malediven vor 45 Jahren“ würden Leute sagen, die Vergleiche mögen. Es ist eine Zeitreise, definitiv.

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Um dieses Refugium zu schützen, hat Myanmar sein erstes und einziges Schutzgebiet eingerichtet: den Lampi-Nationalpark im Mergui-Archipel. Auf 204 Quadratkilometern leben 228 Vogelarten, verstecken sich Gibbons und Makaken. Manchmal gehen sie zum Strand, um aus dem Menü diverser Krabbenarten zu wählen. Im Innern der Inseln soll es gar Sumatra-Nashörner geben.

Ein Gerücht. Denn das Areal ist völlig unerforscht, stand nie im Fokus von Biologen oder Geologen. So wundert es auch nicht, dass nicht allen der 800 Inseln die Ehre widerfährt, getauft zu werden. Ein Eiland muss sich mit dem Namen „115" begnügen, andere gehen leer aus.

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Wir schippern in einem Meer voller Mythen und Mysterien. Am dritten Tag treffen wir die Menschen, die hier seit Urzeiten zuhause sind. Als wir Anker lassen, rudert uns eine Armada von Kindern entgegen, die Paddel kreuzend vor der schmalen Brust.

Es sind Moken – Seenomaden. Ursprünglich verbringen sie nur im Monsun Zeit an Land, den Rest des Jahres über leben sie im „Kabang“, ihrem Einbaum.

Vier Jahre alt sind die Jüngsten. In Europa dürften sie nur in Begleitung Erwachsener aus dem Haus, hier befahren sie routiniert das Meer. Die Kinder wissen um unseren Besuch – von der Crew erhalten sie Päckchen mit kleinen Spielsachen, Stiften, Obst.

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Die Moken, in der Mehrzahl noch immer staatenlos, kämpfen um ihre Lebensweise, mehr noch: ums Überleben. Geschätzt leben noch knapp 3000 von ihnen in der Andamanen-See. Kontakt mit Fremden haben sie nie gesucht.

„Sie sind die Seele des Archipels“, so der französische Anthropologe Jacques Ivanoff. Eines der letzten Jäger- und Sammler-Völker der Erde. So besitzen viele noch immer die Fähigkeit, frei bis in 20 Meter Tiefe zu tauchen und unter Wasser doppelt so weit wie wir Europäer zu sehen – und das auch noch scharf.

Dennoch: Inzwischen leben viele der See-Nomaden als Halbnomaden auf den Inseln. So auch die etwa 300 Menschen im Dorf Jay Lann, das wir besuchen. Manche betreiben inzwischen kleine Gemischtwarenläden.

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Ankunft in Jay Lann. Ein anderes Leben, eine andere Welt. Die Kinder springen unbefangen um uns herum, Erwachsene erwidern scheu unser Lächeln.

Wir sind willkommen, auch wenn die Kameras im Anschlag sind. Das liegt auch daran, dass „Burma Boating“ die Moken-Siedlungen mit der „Segelnden Klinik“ regelmäßig medizinisch unterstützt – mit freiwilligen Ärzten, Krankenschwestern und Apothekern.

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Uns Besuchern auf Stippvisite mag der Mergui-Archipel als Paradies erscheinen. Die Moken aber wissen um Wilderei, um das Fischen Unbefugter an verbotenen Stellen. Zu groß ist das Gebiet, um wirkungsvoll kontrolliert zu werden. Bis vor kurzem gab es nicht einen einzigen Ranger hier. Heute werden sie ausgebildet, damit die Zukunft vielleicht im Öko-Tourismus liegt. Wenn nicht hier, wo dann?



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Zurück auf dem Schiff atmen wir durch, speichern die Eindrücke, kehren zurück in unser Paralleluniversum. Irgendwo zwischen Jay Lann und dem, was mal war. Und sind glücklich, dass es auf der „Meta IV“ eine zweifellose Wahrheit gibt: gutes Essen. Und guten Wein. Bei einem Glas Sancerre schlägt uns A.K. einen Ausflug für den nächsten Tag vor, auf den wir uns nicht ohne Grund freuen wie Kinder im Streichelzoo.

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Wir begegnen drei jungen Seeottern, die nach anfänglicher Skepsis unglaublich neugierig werden: Sie inspizieren unsere Füße und Kameras, unser Dinghy (das Schlauchboot) und schließlich den Inhalt meiner Shorts. Eine knappe, verspielte Stunde lang fühlen wir uns wie im Garten Eden. Erst später lerne ich, dass der Zwerg- oder auch Kurzkrallenotter zu den Raubtieren zählt. Ich habe immer noch Gänsehaut. Zum Glück waren es kurze Krallen.

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Nach sechs Tagen müssen wir zurück. Zurück aus dem Paralleluniversum Mergui-Archipel, hinein in die Realität. Wo die verfügbaren Netze nicht mehr Fischern gehören, sondern Providern. Dabei waren wir sechs Tage lang durchaus verbunden – mit der Natur. Und uns selbst.

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Vor weitem Horizont gehen auch die Gedanken auf Reisen. Warum nutzen wir technologischen Fortschritt so häufig, um die Natur zu ignorieren? Wie lange noch können indigene Völker wie die Moken ihr ureigenes Leben leben? Wann erliegt die burmesische Regierung der Versuchung, mehr Profit aus einer der schönsten Ecken der Welt zu schlagen? Und wann werden wir Hotels im Archipel oder einen Flughafen sehen?

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Die Antworten werden wichtig sein, nicht zuletzt für Reiseveranstalter. „Es gibt da einen Trend“, sagt Janis Vougioukas von „Burma Boating“, „vor allem die Jüngeren wollen, auch bei Luxusreisen, Nachhaltigkeit. Künftig wird es unerheblich sein, ob Reiseveranstalter aus Überzeugung ökologisch agieren oder aus Kalkül.“ 

Wir sind da. Da, wo alles begann. Wir ankern in der Mündung des Pakchang-Flusses, der Myanmar und Thailand verbindet. Und ich muss Schluss machen.

Mein Handy klingelt.

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Anreise
Für Anreisende aus Bangkok: Nok Air bedient die Strecke Bangkok-Ranong exklusiv und zweimal täglich. Abflug morgens um 6.05 Uhr und nachmittags um 16.45 Uhr, die Flugzeit beträgt grob eine Stunde. Wer es entspannt mag, sollte eine Übernachtung in Ranong einplanen. Dort gibt es im Zentrum diverse komfortable Hotels und sehr gute Restaurants.
 
Von Phuket: Vier Stunden Fahrt mit dem Auto (Taxi, Minivan) zum Hafen Ranongs.

Für Anreisende aus Myanmar: Nationale Airlines bedienen die Destination Kawthaung an der burmesischen Mündung des Pakchan-Flusses von verschiedenen Flughäfen aus an.


Reisezeit
Oktober bis Anfang Mai

Der Aufenthalt im Lampi National Marine Park erfordert Gebühren. Diese richten sich nach Aufenthaltsdauer, Größe der Yacht und Anzahl der Reisenden an Bord. Die Gebühren enthalten eine Reisegenehmigung, Hafengebühren und Servicegebühren für verschiedene Regierungseinrichtungen.

Die Trips starten normalerweise am Samstag und enden am Donnerstagmorgen. Nicht im Preis inbegriffen sind die Regierungsgebühren in Höhe von 310 Dollar, die auch das Visum für Myanmar abdecken. „Burma Boating“ erledigt die Formalitäten. Da diese wegen oft langsamer bürokratischer Abläufe Vorlaufzeit benötigen, empfiehlt es sich, frühzeitig zu buchen und die relevanten Formulare dann mit Unterstützung des Reiseveranstalters auf der Homepage auszufüllen. Empfohlen wird in jedem Fall auch eine Reiseversicherung.



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Seit jeher leben die Moken im physischen und spirituellen Einklang mit der Natur und ihren Geistern. Bei Beerdigungen sprechen sie ausschließlich über die schlechten Seiten der Verstorbenen. Damit deren Seelen gar nicht erst auf die Idee kommen, weiterhin im Haus herumzukaspern. Doch wie kommt dann der buddhistische Tempel an diesen Ort, er allein fast so groß wie das Dorf nebenan?

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Es war einmal ein buddhistischer Mönch, dessen missionarischer Eifer so manchen Moken bekehrte. Seither fließt Geld vom Festland auf die Insel. Steinhäuser stehen nun neben Pfahlbauten. Eine neue Schule symbolisiert Fortschritt, bei unserem Besuch fehlt allerdings der Lehrer. Einige Moken wollen nun sogar Mönche werden, der Rest nähert sich Buddhas Lehren, ohne die Geister zu verprellen. Es gibt jedoch auch eine sehr prosaische Version der Geschichte. 

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Die des Tempels als Lebensversicherung. Nicht einmal eine Militärregierung würde ein Moken-Dorf zerstören, in dem das Haus Buddhas steht. Die einfache Erklärung also: Wir stellen Euren Gott auf, dafür lasst Ihr uns in Frieden.

Die größten Gefahren jedoch drohen den Moken-Fischern: Riesige Trawler, die die Gewässer überfischen oder besser ausgerüstete Taucher – den Nomaden bleiben dann nur Seegurken, Austern, Seepferdchen. Und wenn Myanmars Regierung den Holzeinschlag im Land verbietet, würde ihnen sogar der Rohstoff für ihre Kabangs fehlen.

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